Joe Meyser - downtown-DD irgendwann

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Ihm kam die Sache mit dem Hasen in den Sinn. Er wusste nicht, ob die letzte, oder die Nacht zuvor. Sie hatten ihn …, also den Hasen, gefunden und mitgenommen. Dick und pummelig, dunkles Fell, ein flauschiger Brocken mit riesigen Löffeln.

Dann war es um andere Dinge gegangen. Irgendwann musste er eingeschlafen sein. Im Traum wie stets das Übliche: Weiber, Angst und Einsamkeit. Meistens fiel er irgendwo runter. Naja, er fiel nicht wirklich. Zumindest schlug er nie auf dem Boden auf. Es war eher so, dass er, wie in slow motion spürte, dass er im nächsten Moment in den Abgrund fallen würde. Keine Optionen, kein Entrinnen. Dazu noch unnötig in die Länge gezogen, dieser Moment direkt vor dem Moment, wenn das Pendel sich neigte und man unwiederbringlich verloren war. Anstrengend. Wie die falsche Frau, von der man trotzdem nicht loskam. Wenn die dann noch anfing, einem ihre Träume zu erzählen, war man vollends erledigt. Dann gab es praktisch gar kein Erwachen mehr. Aber das war eine andere Geschichte … und längst aufgeschrieben.

Der Hase … wo war der verdammte Hase hin? Er und Lilly hatten gegessen, getrunken, geredet, gevögelt. Das Chromebook flimmerte; James Gandolfini schrie seine Mobster-Kollegen zusammen. Später schwebten Lieblingssongs auf YouTube von Herz zu Herz. Es hätte alles gut sein können. Bis sie anfingen, sich gegenseitig irgendwelchen Scheiß vorzuwerfen. Er erinnerte sich dunkel, dass er sich hart und unerbittlich angehört hatte, als sei er plötzlich jemand ganz anderes.

Die Stimme erheben, die Anklageschrift verlesen, Anzeige gegen Unbekannt erstatten. Auf unsichtbare Sandsäcke eindreschen.

Und auf Lillys Trommelfell.  

Irgendwann hatte sie begonnen, in solchen Momenten zu gehen. Kurz darauf war sie wieder da gewesen. Sie hatten sich versöhnt. 

Bis zum letzten Mal. Nix Versöhnung. Und weg war sie. Wenn sie sich einmal dazu durchrangen sich zu entscheiden oder einen Neuen hatten, oder beides, dann gingen die Frauen und blieben dabei.

Er hatte krampfhaft versucht sich zu erinnern, wie diese letzte, finale Auseinandersetzung angefangen hatte, während er sich gleichzeitig einredete, wenn die Dinge total aus dem Ruder liefen …  könne man das Leben immer noch mal eben kurz anhalten. Oder zurückspulen, bis zu der Stelle, wo man falsch abgebogen war.

Jeder hat das Recht auf eine zweite Chance, mein Sohn!

Nee, heutzutage gilt das nich’ mehr.  

Junge, du hast doch dein ganzes Leben noch vor dir!

Nee, auch das stimmt nich’ … 

Der Hase? Der hatte die ganze Zeit über unter dem Bett gelegen, eingeklemmt, unter dem Rahmen seines alten Mountainbikes von GT. Plötzlich drehte sich alles nur noch um den Hasen. War ja auch niemand anders da. Er piepste verzweifelt, der Hase. Er selbst stöhnte vor Scham und sparte sich das sogleich wieder: Wen wollte er beeindrucken? Sie waren ungestört und der Hase hatte andere Probleme. Da beißt die Maus keinen Faden ab – du Scheiß-Penner hast den Hasen vergessen! Komm, hol Wasser, der kleine Kerl muss vollkommen dehydriert sein!

Das arme Tier schrie vor Schmerzen, als er versuchte es zu befreien und unterm Bett hervorzuzerren. Als es ihm endlich gelang, lag da nur noch eine sterbende und bis zur Unkenntlichkeit abgemagerte Kreatur. 

Irgendwann schreckte er schweißgebadet hoch und realisierte, dass es in seinem Leben gar keine Hasen gab. Dann schlief er traumlos, bis die ersten Sonnenstrahlen einen Mann in einem abgewohnten Apartment wachkitzelten, welches wie ein Hotelzimmer eingerichtet war.